Bundespräsidentschaftswahlkampf 2022

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dejost
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Bundespräsidentschaftswahlkampf 2022

Post by dejost »

Der amtierende Bundespräsident (im Folgenden BPräs oder auch UHBP) Alexander van der Bellen (im Folgenden VdB) hat andekündigt, neuerlich zu kandidieren.

Nach 150 Angelobungen und den Krisen der letzten Jahre hätte ich ihm einen ruhigen Lebensabend gewunschen, aber es ist gut, dass wir jetzt schon einen guten Kandidaten haben.

https://www.derstandard.at/story/200013 ... als-damals
Bereits im Vorfeld hatte Van der Bellen beteuert, angesichts der vielen Korruptionsermittlungen "keinerlei Ressourcen der Präsidentschaftskanzlei zu Wahlwerbungszwecken" zu nutzen. Man lud daher auf neutralen Boden. "Ich bin alt genug für dieses Amt. Ich habe die Lebenserfahrung, die Berufserfahrung", machte Van der Bellen dort gleich zu Beginn klar – um dann die multiplen Krisen seiner Amtszeit zu referieren.
Er sei unabhängig, brauche nichts und könne frei entscheiden. "Nach meinem besten Wissen und Gewissen", sagte Van der Bellen. Heute fühle er sich besser gerüstet und reifer für die Verantwortung "als noch vor fünf Jahren, als ich vergleichsweise ein junger Hupfer war".
Außerdem hat er versichert, die Ressourcen, die er als BPräs hat, nicht für den Wahlkampf einzusetzen - er hat es aber auch nicht wirklich nötig.

SPÖ. ÖVP und NEOS haben schon angekündigt, keinen eigenen Kandidaten zu schicken, und die Grünen auch nicht.

Die FPÖ will schon. So sehr rechtsaußen und wider die Wissenschaft, wie die FPÖ die letzten Jahre war, ist das für sie einfach eine nicht zu vernachlässigende Möglichkeit, vor einem großen Publikum "Corona-Dikatatur, Putin ist so arm" usw zu grölen. Als wahrscheinlichste Kandidaten wird derzeit Susanne Fürst gehandelt, die eine gute Juristin sein soll, sich halbwegs benehmen kann, aber ihre "Haltung" zu Corona und Ausländern schon fpö-konform kundgetan hat.

Dr. Dominik "Pogo" Wlazny von der Bierpartei überlegt noch.

Gerald Grosz, dereinst BZÖ-Chef, jetzt Stammgast auf oe24, überlegt auch. Der könnte das (ebenso wie Pogo) zur Vergrößerung der - bei ihm schon sehr geschwundenen - Bekanntheit nutzen, und anders als Fürst und Dr. Dominik "Pogo" Wlazny hat er sowieso schon den Ruf eines Verlierers, da hat er wirklich nichts zu verlieren. Inhaltlich würde ich dasselbe erwarten wie von Fürst.

Robert Marschall, früherer oder aktueller Chef diverser Anti-EU und zuletzt auch Anti-Impflicht-Plattformen bzw -Parteien, versucht es auch dieses Mal. Letztes Mal ist er an den 6000 Unterschriften gescheitert, dieses Mal könnte er sich ja mit MFG zusammentun.

Der Standard nennt noch folgende potentielle KandidatInnen:
Bereits viermal an dieser Grenze gescheitert ist Martin Wabl, der es ebenfalls noch einmal wissen will. "Ich schaffe es – mit deiner und Gottes Hilfe", ist auf der Website des früheren Richters und SPÖ-Bundesrats zu lesen.
Gemeinsam um Unterstützung werben Landwirte-Berater Johann Peter Schutte, Autor Hubert Thurnhofer, Unternehmer Konstantin Haslauer und Montessori-Pädagogin Barbara Rieger.
Weiters gehen der Schauspieler Rudolf Remigius Kleinschnitz und der Berufsdetektiv Thomas Schaurecker ins Rennen.
Im Standardforum wird gemutmaßt, dass es die Wahl mit der niedrigsten Wahlbeteiligung und dem deutlichsten Ergebnis sein wird.

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Re: Bundespräsidentschaftswahlkampf 2022

Post by dejost »

https://orf.at/stories/3270921/
Hofburg-Wahl: Marco Pogo bittet um Unterstützung
titelt der ORF. Ich sehe das mal skeptisch, sofern der ORF allen anderen potentiellen KandidatInnen, die Unterschriften sammeln, auch so eine Schlagzeile widmet.
(Der ORF würde sagen, Pogo ist in Umfragen zweistellig, die anderen Gestalten, die da jede Wahl an den 6000 Unterschriften scheitern sind im Gegenzug nicht relevant - stimmt, aber ist ein Henne-Ei-Problem).
Immerhin würden ihm Umfragen einen zweistelligen Prozentsatz ausweisen, „ohne dass die Bierpartei diese gekauft hat“.
Amtsinhaber Alexander Van der Bellen hätte in den vergangen Jahren als moralische Instanz expliziter sein können, so [Dr. Dominik "Pogo" Wlazny]. Zwar habe sich der Bundespräsident nicht in das politischen Tagesgeschäft einzumischen, aber wenn Leute das Land mit einem Selbstbedienungsladen verwechseln, müsse man sagen: „Jungs, die Party ist vorbei“, erklärte der Gründer und Vorsitzende der Bierpartei.
Ich bin gespannt, wie er die Grenze zwischen humorig und konstruktiv in den Wahlkonfrontationen zieht. In der Vergangenheit ist ihm das meistens gut gelungen, aber in dem deutlich härteren Setting wird das auch schwerer.

Ceterum censeo, Dr. Dominik "Pogo" Wlazny ist kein Punkmusiker, das ist Schlager mit etwas Selbstironie und Wienerliedeinschlag.

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"Make Austria Grosz again"

Post by dejost »

https://www.youtube.com/watch?v=jfzCYigMMdk

Grosz kandidiert also nun offiziell. Seine schauspielerische Leistung wäre selbst für ein Provinztheater zu pathetisch, inhaltlich klappert er brav 08/15 rechtskonservative/FPÖ/Aluhutträger-Light Positionen ab, sofern er das in seinem 5 Minuten Video anspricht.

"Eine gewisse Selbstgefälligkeit ist ihm schwer abzusprechen." schreibt der Standard, ich würde ergänzen, da er auf Oe24 (Marktanteil so um die 1,2 %) viel reden darf, überschätzt er sich selbst ziemlich. Oder das ganze ist nur ein Versuch von ihn, bekannter zu werden.
Für seine beiden Consultingfirmen in Graz sollte das kein Nachteil sein. Einen Slogan hat er auch schon: "Make Austria Grosz again!"
https://www.derstandard.at/story/200013 ... ie-hofburg
Wer sich von Grosz consulten lässt, hat entweder den Bezug zur Wirklichkeit nie wirklich gehabt, oder es geht um was ganz anderes.

Leider schreibt der Standard nicht, wie es mit seinen Unterschriften aussieht.
Klar ist, dass er primär im selben Wasser fischen wird, in dem ein allfälliger FP-Kandidat/in waten wird müssen, weil von VdB selbst abgesehen zeichnet sich kein irgendwie gemäßig konservativer Kandidat ab (und wie konservativ VdB ist, kann man auch diskutieren - aber jedenfalls mehr als Dr. "Pogo" Wlazny).

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Re: Bundespräsidentschaftswahlkampf 2022

Post by dejost »

Auch Michael Brunner, Chef der (vorsicht, Euphemismus) impfkritischen Partei MFG will zur BPräs-Wahl antreten, auch ihm fehlen noch die Unterschriften.

https://www.derstandard.at/story/200013 ... ftswahl-an
https://orf.at/stories/3273222/

Die beiden Artikel sind ziemlich wortgleich (weil von Apa abgeschrieben), der Standard hat ein Foto.
Der Kampf gegen die Corona-Maßnahmen bleibt Programm. So würde Brunner die Regierung entlassen und die Aufhebung aller im Kampf gegen die Pandemie gesetzten Schritte erzwingen.
Die Waffenlieferungen aus Europa bezeichnete er als "Kriegshetze", an der Neutralität werde nicht gerüttelt.
Sein Plan ist, VdB in eine Stichwahl zu zwingen, aber nicht etwa gegen Dr. Dominik "Pogo" Wlazny, sondern gegen sich selbst. Gut, Wirklichkeit und MFG hatten ja immer schon ein ungewöhnliches Verhältnis.

Wie der geneigte Wähler Grosz, Brunner und wer auch immer von der FPÖ ins sinkende Boot steigt, inhaltlich auseinanderhalten soll, weiß ich auch nicht.
Würde mir sogar die Fernsehdiskussion ansehen, kann mir nur schwer vorstellen, wo sich Brunner und Grosz in die Haare kriegen, allenfalls bei jeweiligen Eitelkeiten. Es sei denn, alle sind noch homophob, das würde zumindest zur Russlandsympathie passen.
Aber Dr. Dominik "Pogo" Wlazny gegen die Schwurbler könnte kurzweilig werden - oder nur zum Fremdschämen.

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Re: Bundespräsidentschaftswahlkampf 2022

Post by dejost »

Für die FPÖ tritt Rosenkranz an (nicht verwandt mit der gleichnamigen Kandidatin der FPÖ vor einigen Jahren). Der ist in den Umfragen zunächst auf Platz 3 mit um die 20% vorgeschossen, da reicht es offensichtlich schon Kandidat für die FPÖ zu sein (und nicht angeklagt).
Ob ihn die Geschichte um Kickl und die Wiener FPÖ (Kickl soll Jenewein angestiftet haben, die Spitze der Wiener FPÖ anzuzeigen, was davon stimmt ist unklar) betreffen wird - und ob da was dran ist - wird sich zeigen.

Rosenkranz markiert dafür gleich den starken Mann:
Rosenkranz hatte zuletzt bei einer Pressekonferenz auf Journalistenfragen, ob er als Bundespräsident gleich die Regierung entlassen würde, gemeint, die Wahrscheinlichkeit dafür liege „auf jeden Fall höher als 50 Prozent“.
https://orf.at/stories/3280490/
Wahlversprechen und FPÖ sind ja so eine Sache.
Indes hat „Kronen Zeitung“-Kolumnist Tassilo Wallentin bekanntgegeben, nun doch bei der Hofburg-Wahl kandidieren zu wollen. Wie die „Kronen“ (Onlineausgabe) heute berichtete, will es der Rechtsanwalt im Alleingang – ohne Partei im Hintergrund – auf den Stimmzettel schaffen.
Der war früher auch als FPÖ-Kandidat gehandelt worden. Es wird sich zeigen, wie sehr ihn die Krone unterstützt. Die Feld der sehr rechten, sehr populistischen Kandidaten wird immer größer.

Derzeit gilt es, 6000 Unterschriften bis 2. September zu bringen.

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Re: Bundespräsidentschaftswahlkampf 2022

Post by dejost »

Der Waldviertler Schuhfabrikant Heini Staudinger will bei der Bundespräsidentschaftswahl antreten. Er sammle derzeit die nötigen Unterschriften, heißt es. Seine Kampagne soll morgen starten.
schreibt orf.at

Und im Bezirksblatt (für den 14.) habe ich gelesen, dass ein Mietervertreter vom Breitnerhof auch antreten möchte. Den Namen habe ich mir leider nicht gemerkt, habe auch seither nichts mehr von ihm gehört.

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Re: Bundespräsidentschaftswahlkampf 2022

Post by dejost »

Oe24 schreibt von 23 Kandidat:innen, darunter auch der hier schon erwähnte Breitner-Hof-Bewohner.

Von den meisten habe ich noch nie gehört, oder nie in diesem Zusammenhang.
Laut der Zeitung sind 5 davon "Impfgegner" oder "Covidaktivisten".

R. Marschall probiert es aber wieder, ob er in der Flut an Rechtspopulisten die 6000 dieses Mal schaffen wird, bleibt abzuwarten.

Erwähnenswert ist mir noch, dass Ludomirska Roland, der Mann hinter der - soweit ich weiß nicht mehr so gut laufenden - Crazy Cheese-Kette auch antreten will.
Wie ich das letzte Mal im Auhofcenter war, habe ich ihn in der dortigen Niederlassung gesehen, wie er versucht hat, Käse zu verkaufen.

edit: Zu erwähnen ist, dass oe24 Grosz offensichtlich fördert: Ich fand ohne zu suchen gleich 2 Videos von ihm auf der Homepage, wo er ganz sicher sehr staatstragende Dinge sagt.

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Re: Bundespräsidentschaftswahlkampf 2022

Post by dejost »

Folgende Kandidaten sind fix:

Amtsinhaber Van der Bellen, Michael Brunner, Gerald Grosz, Walter Rosenkranz, Heinrich Staudinger, Tassilo Wallentin und Dr. "Pogo" Wlazny.

Es haben noch 4 weitere mit zu wenig Stimmen eingereicht, erfahrungsgemäß Marschall, der gegen solche Entscheidungen auch aussichtslose Rechtsmittel angekündigt hat.

Dr. "Pogo" Wlazny ist der jüngste Kandidat aller Zeiten (35), es ist die erste Wahl seit 1980 (damals Meissner-Blau) ohne weibliche Kandidatin.

Selbst ORF.at zollt Pogo Respekt:
Von Spaßpolitik war dabei keine Rede mehr. Solidarität, Klimaschutz, menschliche Asylpolitik sind einige der von Wlazny kundgetanen Prioritäten.

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Re: Bundespräsidentschaftswahlkampf 2022

Post by dejost »

Erwartungsgemäß hat auch die Nachfrist nichts verändert.

Auch der Wahlkampf birgt bis jetzt keine großen Überraschungen, Amtsinhaber VdB versagt sich diversen Diskussionen, wenn man bedenkt, wie fassungslos Kandidat Wlazny und ORF-Journalist Wolf die Äußerungen anderer Kandidaten machten, kann man ihm das nur schwer verdenken.
Grosz, Brunner, Wallentin - im Grunde kopieren die alle das FPÖ-Konzept, weils eben deppeneinfach und deppensicher ist. Wundert mich eh daß der Herpferd noch keine Copyright-Klage anstrebt.
Ein bissl Teufel an die Wand malen, für alles Schlechte die Regierung + BP verantwortlich machen und die üblichen Feindbilder bemühen. Und dann natürlich einfache Lösungen damit wieder Milch und Honig fließen. Aber nicht zu detailliert sonst könnte jemand merken daß man eigentlich völlig ahnungslos ist.
Funktioniert 100%ig
https://derstandard.at/permalink/p/1098237882

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Re: Bundespräsidentschaftswahlkampf 2022

Post by dejost »

orf.at wrote:Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat alle gegen die Wahl des Bundespräsidenten eingebrachten Anfechtungen zurückgewiesen. Die Wahl angefochten hatten vier Personen, die geltend gemacht hatten, dass ihre Kandidatur rechtswidrigerweise nicht zugelassen worden sei.

Sie hatten nach der gestrigen Entscheidung des VfGH die Voraussetzungen für eine Kandidatur allerdings nicht erfüllt. Somit kann das Wahlergebnis nun vom Bundeskanzler im Bundesgesetzblatt kundgemacht werden.
Hier noch ein paar Gedanken zum Endergebnis:

Die Wiederwahl von VdB war eh klar, und dass es keine Stichwahl gibt, auch nicht sehr überraschend.

Für Wlazny jedenfalls ein beachtlicher Erfolg, wobei bei aller Antipathie für Grosz, 5,6% ist für ihn auch kein schlechtes Ergebnis, wenn man bedenkt, dass er außer Oe24 keine Medien hinter sich hatte, keine Partei, kein Geld und einen Haufen andere Krawallmacher die politisch für mehr oder minder für gegen dasselbe stehen wie er, aber mehr Medien, Geld oder Partei hinter sich haben.

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